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Freitag, 5. November 2004

Vor 100 Jahren öffnete erste Fahrschule

Als die ersten Autos auf Deutschlands Straßen rollten wollte der Architekt Rudolf Kempf dem zunehmend «unbesonnenen Lenken der Automobile» Einhalt gebieten und eröffnete im November 1904 in Aschaffenburg die «Erste deutsche Autolenkerschule».

In den Satzungen wurde der Fahrschule der Zweck zugeschrieben, «unbescholtene Männer zu Motorfahrzeuglenkern auszubilden, sie durch theoretischen und praktischen Unterricht mit allen Systemen von Motorfahrzeugen bekannt und vertraut zu machen». Die Schule war Teil des «Kempf'schen Privat-Technikums», das eigentlich Maschinenbauer, Elektroniker und Fachleute für den Tief- und Hochbau ausbildete. Für die Aufnahme in die Autolenkerschule galten strenge Regeln. Zugelassen wurden nur Männer, die das 17. Lebensjahr vollendet hatten und einen selbstgeschriebenen Lebenslauf sowie ein amtliches Sittenzeugnis aus jüngster Zeit vorlegten. Schließlich sollte die Schule einen «Stamm guter Chauffeure heranbilden, die das beste Mittel zur Verhütung von Unglücksfällen und zur Austreibung von Bedenken gegen das Automobil sind», formulierte der 1864 im unterfränkischen Rieneck geborene Kempf. Die Auto-Lobby trieb dessen Bestreben in Erwartung steigender Verkaufszahlen an.

Er sei - so teilte Kempf der Königlichen Kreisregierung in Würzburg in seinem Genehmigungsantrag mit - gleich von mehreren Fahrzeugherstellern veranlasst worden, eine derartige Ausbildung anzubieten. Neben dem Bayerischen Automobil-Club begrüßte auch die Allgemeine Automobilzeitung Deutschlands die Einrichtung einer Fahrschule. Dort war zu lesen: «Es ist schon oft genug betont worden, dass ein schlechter Chauffeur sehr gute Käufer dem Automobil entfremden kann, ebenso kann aber auch ein tüchtiger Autolenker seinen Herren derart begeistern, dass dieser erfreut seine Bekanntenwelt für das Automobil gewinnt.» Für die ersten 36 offiziellen Fahrschüler - Schlosser, Mechaniker, Herrschaftskutscher und Automobilhändler aus verschiedenen Ländern - öffnete sich am 7. November 1904 die Tür zur Welt des Automobils. Die Kurse waren auf zehn Wochen angelegt und umfassten wöchentlich 15 Stunden theoretischen Unterricht, zwölf Stunden Werkstatt-Tätigkeiten und acht Stunden praktische Fahrübungen. Landkartenlehre, Sanitätslehre, Physik, Elektrotechnik und der Lehre vom Motor- und Automobilaufbau standen auf dem Programm. Einen Führerschein gab es allerdings nicht - der wurde erst um 1910 in Deutschland eingeführt.

«Der Besucher dieser Schule soll später ein Automobil von außen und innen kennen; er lernt anhand von guten Modellen den Motor und seine Einzelheiten kennen, die Funktionen der Motoren, Störungen an denselben», ist im Jahrbuch des Aschaffenburger Kunst- und Geschichtsvereins nachzulesen. Später bot die Aschaffenburger Schule auch noch so genannte 14-tägige Herrenkurse für Offiziere, Ärzte, Fabrikanten, Baumeister und Autobesitzer an. 1906 schloss Kempf eine Unterabteilung für Karosseriebau an und benannte die Einrichtung um in «Erste Deutsche Automobil-Fachschule».

Doch Kempf nahm es selbst offenbar mit der Unbescholtenheit und einer sachgemäßen finanziellen und administrativen Ordnung nicht so genau: gegen ihn wurde ein Disziplinarverfahren wegen angeblichen unsittlichen Benehmens eröffnet. Am 17. November 1906 wurde Kempf die Konzession für das Technikum und damit auch für die Fahrschule entzogen. 419 geprüfte Wagenlenker zählte die Aschaffenburger Fahrschule, ehe sie ihre Pforten schloss. Doch schon Anfang 1907 begann Kempf einen Neuanfang in Mainz. Heute gibt es in Deutschland mehr als 13 000 Fahrschulen. (dpa)

 
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